Ein Blumenstrauß voller Begabungen

Rolf Kalhöfer

Was sind meine Gaben?

Da hat sich Alexandra zum Klavierunterricht angemeldet und kommt nach ein paar Wochen frustriert nach  Hause:„Warum mache ich das nur? Ich lerne das nie!“
Wütend schmeißt sie ihre Notentasche in die Ecke.
Julian soll ein Referat in der Uni halten. Er möchte am liebsten zuhause bleiben. Die Vorstellung, vor hundert Menschen reden zu müssen, ist ihm ein Graus. Und immer wieder muss er an den Satz eines seiner Lehrer denken: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Du wirst mal viel Gold besitzen, Julian.“

Es ist schmerzlich, an seine Grenzen zu stoßen.
Und es ist noch schmerzlicher, sie von anderen bestätigt zu bekommen. Aber das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Immer wieder erreichen wir die Grenze dessen, was uns möglich ist, erleben Scheitern und Versagen, fühlen uns klein und unfähig oder werden klein und unfähig gemacht.
Dadurch verstellen wir uns selbst oder verstellen uns andere einen fairen Blick auf unsere Möglichkeiten und Grenzen.

Wer vor allem hört:
„Das kannst du nicht!“ statt „Das kannst du!“, glaubt es irgendwann auch selbst. Menschen werden verunsichert und trauen sich selbst nur noch wenig zu.

Wie gut tun uns Menschen, die sagen:
„Du kannst es schaffen. Ich traue dir etwas zu.“
So spricht Gott zu uns, der uns geschaffen hat mit unseren Möglichkeiten und Grenzen.

Da betreibt jemand, so las ich, ein kleines Bistro-Café in München, ein bisschen altmodisch sieht er aus, wie in einem alten französischen Film. Früher hat er Jura studiert. „Es hat lange gebraucht, bis ich gemerkt habe: das ist eigentlich nichts für dich“, erzählt er.
„In meiner Freizeit habe ich hier immer gekellnert. Das war mein Ding. Und als mein Vorgänger aufgehört hat, habe ich zugegriffen. Meine Eltern hätten mich lieber in einer Anwaltskanzlei gesehen. Aber dafür war ich einfach nicht geschaffen. Das Leben ist doch viel zu kurz, um es mit Dingen zu verplempern, die man nicht richtig kann und auch nicht tun will.“

Wir alle sind Menschen, denen Gott mindestens eine Begabung geschenkt hat. So kommen in einer Gemeinschaft, auch in unseren Kirchengemeinden, ganz verschiedene Gaben und Talente zusammen, so verschieden, wie wir Menschen eben sind.
Jede und jeder kann etwas einbringen, was andere brauchen, z.B. ihr Einfühlungsvermögen, ihren Erfindungsreichtum, seine Spontaneität, sein Lachen, ihre Verschwiegenheit, ihre Hilfsbereitschaft, seine Geduld.
Sie kennen alle solche von Gott begabten Menschen. Denken Sie an Ihren Partner oder Ihre Partnerin, an Ihre Kinder, an Ihre Freundinnen und Freunde. Und Sie selbst sind auch begabt!

Alexandra hat vielleicht einige Zeit später gemerkt: „Ich kann das Klavierspielen ja doch lernen.“ Oder sie ist zu der Erkenntnis gelangt, dass ihre Stärken auf einem anderen Gebiet liegen.
Julian hat inzwischen Spaß daran, vor großen Gruppen zu sprechen, er ist immer noch aufgeregt, aber er weiß, dass ihm seine Stimme nicht versagt und dass die Kommilitonen ihm gerne zuhören.

„Dient einander,ein jeder mit der Gabe,
die er empfangen hat, als die guten Haushalter
der mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrusbrief 4,10)

Nun sagt der Verfasser des 1. Petrusbriefes aber nicht nur, dass wir alle mit guten Gaben von Gott beschenkt sind. Gleichzeitig werden wir auch ermahnt, unsere Gaben einzusetzen für die Gemeinschaft. „einander zu dienen“, wie es im Text heißt. Denn dass wir erkennen, wozu wir befähigt sind, soll nun nicht nur unser Selbstbewusstsein stärken, sondern soll auch anderen zugutekommen.

Niemand lebt nur für sich allein. Jesus sagt in Lukas 12,48: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“

Nur indem viele ihre Begabungen einbringen, auch in unseren Kirchengemeinden, entsteht ein lebendiges Geben und Nehmen. Die Gemeinde als Blumenstrauß der  Begabungen.
Ich bin sicher, da gibt es über dem Vielen, was schon da ist, noch mehr zu entdecken. Ermutigen wir uns gegenseitig, unsere Gaben zu entdecken und einzubringen – zum Wohle anderer und zur Ehre Gottes!

Rolf Kalhöfer                                                                                 zurück zum Menü NACHGEDACHT

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