Einander annehmen

Virág Magyar

Nehmt Euch aneinder an, wie Christus
euch angenommen hat zu Gottes Lob
Römer 15,7

Eine ganze Weile schon trage ich eine Postkarte mit mir herum – mit ihr ist mir die Jahreslosung zum ersten Mal begegnet und seither ringe ich mit diesem Bibelspruch, versuche bei ihm anzukommen, ihn mit meinem Alltag in Einklang zu bringen.
Das Bild ist schön: Zwei Hände reichen einander rote Herzen vor einem strahlend blauen Himmel.
„Gutes Bild für eine Liebeserklärung oder eine Verlobungsanzeige“ – denke ich mir – „aber für dieses ‚Einander-annehmen‘?
Das ist ja nicht so einfach. Gewiss nicht so wolkenlos.“ Und doch hole ich die herzige Karte immer wieder hervor; das Bild und den Satz – „Nehmt einander an,wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ – sie lassen mich nicht los, beschäftigen mich, ziehen mich immer wieder in ihren Bann.

Ich schaue in den wolkenverhangenen Novemberhimmel und denke mir: „Es ist schon schwer, einander so zu nehmen, wie wir sind. Schließlich haben wir alle unsere Fehler und Schwächen …
und wenn ich ehrlich bin, dann haben wir doch diese besondere Gabe, den Fehler gleich zu finden.
Das Gute dagegen, da müssen wir ganz genau hinschauen, manchmal erst suchen.“
Dann, wie von Engelshand, ziehen die Wolken beiseite, die Sonne kommt durch, und ich merke, die Geschichte fängt doch ganz anders an: damit, dass Christus uns zuerst angenommen hat.

Weihnachten steht vor der Tür – und so beginnt die Geschichte der großen Annahme Gottes für uns Menschen: mit zwei Menschen, die sich auf den Weg machen, ins Ungewisse, nichts, als Gottes Zusage im Gepäck und dem Kind, das ihnen geboren werden soll.
Wo sie eine Herberge finden werden? Wie die Reise dann weitergeht? Wie Gott seine Verheißungen in erlebte Realität verwandeln würde?
Sie wissen es nicht, die beiden, Maria und Josef. Und doch machen sie sich auf den Weg – einen Weg des Vertrauens und der Geduld, einen zuweilen anstrengenden, beschwerlichen Weg; ergreifen die Annahme Gottes.
Was ihnen auf dem Weg begegnet? Einerseits könnten wir die Beschwernisse und die Gefahr aufzählen – aber viel wichtiger ist die Bewahrung, die Engel, die Helfer, das Gute, ja, die vielen Gaben, die sie unterwegs antreffen. Ein Segen.

Und bei uns? Unsere Wege sind anders – vielleicht nicht so abenteuerlich, und doch haben auch wir die Zusage von Gottes Liebe bekommen und auch wir brauchen Vertrauen und Geduld, damit wir nicht die Defizite, sondern den Segen sehen. Auch in unserem Gegenüber. Denn wir sind gesegnet – mit vielen Begabungen.
Wir haben Menschen unter uns, die sich für andere einsetzen, die in Not geraten sind, Menschen, die tatkräftig der Armut entgegentreten und für Bildung sorgen, Menschen mit künstlerischen Fähigkeiten, die uns alle bereichern, Menschen, die ein offenes Ohr haben, Freude am Glauben und Menschen, die leise im Hintergrund für gute Ordnungen in unseren Gemeinden sorgen. Die Gaben sind so vielfältig, dass sie wohl kaum aufzuzählen sind – jede und jeder von uns hat etwas, was er und sie in die Gemeinschaft einbringen kann.
Wo das passiert, dort wächst Segen. Wo wir uns vertrauensvoll auf die Verheißung Gottes einlassen, dass Er gute Wege mit uns – einzeln und als Gemeinschaft – gehen will, da werden wir merken:
Er ist bei uns. Auf allen Wegen. Auf den beschwerlichen und den freudigen. In dieser Gewissheit wollenwir in das neue Jahr 2015 gehen:
Einander mit den Gaben und den Hürden annehmen – als Gottes besonderes Geschenk. Da ist Segen drin.

Virág Magyar                                                                                       zurück zum Menü NACHGEDACHT

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