... des Kindes Glück

Rolf Kalhöfer

Und Jesus sprach:  Ein Mensch hatte zwei Söhne.

Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater:
Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie.
Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.
Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.
Da ging er in sich und sprach:
Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen:
Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.
Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.
Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein!
Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. (Lukas 15,11-24)

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Die Erzählung vom wiedergefundenen Sohn ist eine zu Herzen gehende Familiengeschichte, ein Beispiel für eine gelungene Versöhnung, ein Gleichnis für Gottes große Barmherzigkeit.
Aber sie ist noch mehr: Sie ist eine Anleitung für uns, wie wir Gott erfahren können in unserer Wirklichkeit........

1. Der Vater muss loslassen.
Wir wissen nicht, ob der jüngere Sohn im Streit gegangen ist, ob der Vater ihn halten wollte oder ob er ihn in Frieden hat ziehen lassen. Aber in jedem Fall muss er lernen loszulassen, muss erkennen und anerkennen, dass sein Sohn nicht Teil seines Besitzes ist, sondern ein Gegenüber mit eigenen Willen und dem Recht, sein Leben in die Hand zu nehmen. In diesem Loslassen ist Gott als der erfahrbar, der dem Vater hilft, seinen Sohn seinen Weg gehen zu lassen.

2. Der jüngere Sohn muss sich entscheiden:
Bleibt er im sicheren Hafen der Familie, die ihn schützt und trägt, die ihm Annehmlichkeiten verschafft, weil sich Diener und Dienerinnen all- zeit um sein Wohl sorgen? Oder geht er hinaus in die Welt, auf sich alleingestellt, mit Herausforderungen konfrontiert, die er noch nicht abschätzen kann? In diesem Konflikt ist Gott er- fahrbar als der, der dem Sohn hilft, eine Entscheidung zu fällen und dazu zu stehen.

3. Der jüngere Sohn stürzt sich in das Leben,
Gott ist vergessen. Die Verführungen des Geldes haben ihn im Griff, er genießt das Leben in vollen Zügen, er erfreut sich an der Vielzahl der (angeblichen) Freunde, die sich um ihn scharen. Umso tiefer ist sein Fall, als das Geld verprasst ist. Nun meldet sich sein Gewissen, er bereut sein Tun. In dieser Reue ist Gott erfahrbar als der, der vergibt, der das Tun des Sohnes nicht gutheißt, aber der neue Schritte ins Leben zurück ermöglichen will.

4. Wer kennt sie nicht, diese wundervolle Szene,
in der der Vater dem Sohn entgegenläuft und ihn umarmt. Der Sohn kann es gar nicht fassen, dass er die Liebe seines Vaters zu ihm nie verloren hat, er spürt: Hier bin ich willkommen mit all meinen Stärken und Schwächen. In dieser bedingungslosen Liebe ist Gott erfahrbar. Diese Liebe setzt eine neue Lebensperspektive frei, der Sohn erlebt Auferstehung zum Leben hautnah. Gott kommt uns nahe – nicht nur im Kind in der Krippe an Weihnachten. Sondern auch immer dann, wenn wir an Wendepunkten unseres Lebens stehen, die bedeutsam sind für unsere Zukunft.

Gott spricht zu uns, wenn wir bereit sind, auf ihn zu hören: im Wort der Heiligen Schrift, in unserem Gewissen, in der Stimme unseres Herzens.
Die vor uns liegende Advents- und Weihnachtszeit könnte zu einer Zeit werden, in der wir Gott wieder neu wahrnehmen.

Rolf Kalhöfer                                                                                                 zurück zum Menü NACHGEDACHT

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