Geschichte der Taufe

Die Geschichte des Sakraments der Taufe führt uns in das Israel der Zwanzigerjahre des 1. Jahrhunderts nach Christus, irgendwo an den Jordan, zum jüdischen Propheten Johannes, der von seinen Zeitgenossen „der Täufer“ genannt wurde.

Die „Umkehrtaufe zur Vergebung der Sünden“ (Markus 1,4), die Johannes den Menschen anbot, war im Judentum der Zeit tatsächlich etwas bemerkenswert Neues: Angesichts des als nahe zu erwartenden Endes und des Zornesgerichts Gottes über sein Volk bezeugte das vom Täufer an jedem Einzelnen vollzogene Eintauchen in den Fluss zugleich die gnädige Vergebungsbereitschaft Gottes, der die vergangenen Sünden abwäscht, und die Umkehrbereitschaft des so Getauften, der sich dazu bekannte, nunmehr dem Willen Gottes für sein Leben zu folgen.
Johannes nahm ältere prophetische Bilder und Erwartungen auf, wenn er zudem für die nahe Endzeit das Kommen des „Stärkeren“ (gemeint war Gott selbst) und sein Taufen mit Feuer und heiligem Geist ankündigte. So ist es kein Wunder, dass manche Zeitgenossen den Täufer für den wiedergekommenen Elia hielten und die Verheißung von Maleachi 3,23+24 erfüllt sahen.
Dieses Auftreten und diese Botschaft müssen für einige Monate großen Eindruck in Judäa und Galiläa gemacht haben. Auch Jesus aus Nazareth fühlte sich von ihr angesprochen und folgte dem Ruf des Täufers an den Jordan.

Der Bericht der Evangelien (die das Geschehen natürlich aus christlicher, nicht aus neutraler Sicht darstellen) über die Taufe Jesu durch Johannes und einige weitere Bemerkungen lassen noch erkennen, dass das Auftreten Jesu ohne dasjenige des Täufers historisch nicht zu erklären ist; einige der späteren Jünger Jesu dürften ehemalige Täuferschüler sein. Übrigens bestand die Täuferbewegung auch nach dem Auftreten Jesu fort, und vielleicht gab es zeitweise eine Konkurrenz zwischen Täuferjüngern und Jesus-Jüngern.

Jesus von Nazareth hat dann wahrscheinlich nicht selbst getauft.
Die Entstehung der christlichen Taufe dürfte darauf zurückzuführen sein, dass – vor oder nach Ostern – einige der Jesus-Jünger die Taufe des Johannes wieder aufnahmen und nun „im Namen Jesu“ tauften.
Wie bei Johannes bedeutete und veranschaulichte diese Taufe ein Bekenntnis und eine Verpflichtung auf ein Leben nach Gottes Willen angesichts der nahen Herrschaft Gottes auf Erden und zugleich die Befreiung von einer belasteten, sündigen Vergangenheit.
Als bald nach Ostern die Botschaft vom leidenden und auferstandenen Gottessohn auch außerhalb des Judentums Anklang fand, konnte die Taufe zum Ritus werden, der einmalig und öffentlich die Zugehörigkeit zu der entstehenden Bewegung anzeigte; für Nicht-Juden ersetzte die Taufe das Zeichen der Beschneidung.
Die vom Täufer für die nahe Zukunft verheißene Ankunft des Geistes aber wurde von den ersten Christen nicht nur in Phänomenen wie der Zungenrede oder in wunderhaften Heilungen gegenwärtig erfahrbar, sondern mit der Taufe in Verbindung gebracht.
Das Evangelium nach Lukas und die Apostelgeschichte zeigen deutlich, wie man versuchte, diesen Zusammenhang genauer zu verstehen, ohne an der offenkundigen Tatsache vorbeizugehen, dass es sowohl Geistbegabte gab, die nicht getauft waren, als auch Getaufte, die nicht erkennbar vom Heiligen Geist geführt oder getrieben waren.
Auch dass die Taufe als Abwaschen der Sünden der Vergangenheit verstanden wurde, stellte neue Fragen:
Was bedeutete das für die Zukunft des Getauften? War er gleichsam automatisch sündlos oder auf dem richtigen Weg?
Die ersten christlichen Theologen, welche über die Bedeutung der Taufe nachdachten, entfalteten ihren reichen Sinngehalt so, dass die Taufe als wirkungs- und hoffnungsvolle Zeichenhandlung verstehbar wurde, aber nicht als ein Ritual, das den Getauften jede Verantwortung für ihr weiteres Leben abnahm.

Es mag vorgekommen sein, dass in den ersten Jahrhunderten auch kleine Kinder getauft wurden, die Regel war das jedoch nicht. Das frühchrist- liche Taufverständnis betonte den mit der Taufe verbundenen Akt des Bekenntnisses und die aus der Taufe entstehende Verantwortung; und so ging der Taufe schon bald eine ausführliche Glaubensbelehrung voran, die Feier der Eucharistie folgte offenbar regelmäßig.

Wo, wie es später in den großen Kirchen die überwiegende Praxis  war, die Säuglingstaufe die Regel wurde, werden diese Motive so aufgenommen, dass die Eltern, Paten und die Gemeinde die übernommenen Verpflichtungen vorläufig übernehmen, bis das Kind (z. B. bei der Konfirmation) ein eigenes verantwortliches „Ja“ sprechen kann.
Zugleich hebt die Praxis der Säuglingstaufe einen Aspekt hervor, der von allem Anfang an zum christlichen Sakrament gehörte:
das Geschenk des göttlichen Heilsangebotes und das Fortnehmen der Angst vor einem Gericht Gottes im Leben und im Sterben.

Das Abwaschen und Neuwerden des Menschen machte die Johannes-Taufe durch das Untertauchen im frischen Wasser des Jordan sehr anschaulich.
Das war und ist ein Ideal, das schon in den Anfängen des Christentums der Umstände wegen nur ausnahmsweise erreicht werden konnte: Neben dem Untertauchen wurde das Übergießen vollzogen, neben der Taufe mit kaltem Flusswasser auch diejenige mit stehendem oder warmem Wasser. Ja, auch in den antiken Badeanstalten, den Thermen, werden Christen heimlich getauft worden sein. Es ist belegt, dass auch an solchen Orten später christliche Baptisterien (Taufkapellen) gebaut wurden.

Weitere Sinnzeichen trugen und tragen dazu bei, die Bedeutung der Taufhandlung anschaulich zu machen: Bezeichnung mit dem Kreuzzeichen, Salbung und Handauflegung, Entzünden der Taufkerze, Anlegen eines Taufgewandes, Taufspruch und anderes.
Eine gründliche Vorbereitung auf die Taufe und eine sorgfältige Gestaltung der Taufe im Gottesdienst helfen, dass alle Beteiligten diese Zeichen verstehen und mit bibli- schen Verheißungen verbinden können.

Unterscheidet sich die Praxis der Taufe in den verschiedenen Gemeinden und Kirchen auch im Detail, so ist ihre Bedeutung im Kern ökumenisch unumstritten.

Die Leuenberger Konkordie von 1973 formuliert:

„Die Taufe wird in Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes mit Wasser vollzogen.
In ihr nimmt Jesus Christus den der Sünde und dem Sterben verfallenen Menschen unwiderruflich in seine Heilsgemeinschaft auf, damit er eine neue Kreatur sei.
Er beruft ihn in der Kraft des Heiligen Geistes in seine Gemeinde und zu einem Leben aus Glauben, zur täglichen Umkehr und Nachfolge“
(EG 859, Ziffer 14).

Dr.HermutLöhr, Professor für Neues Testament in Münster       zurück zum Menü "BEITRÄGE"

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